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Weitere Aushöhlung des Bischofsamtes

Bild: VaticanMediaDie äußerst zwielichtige Erklärung ‚Fiducia supplicans‘ zur Möglichkeit der Segnung „irregulärer Beziehungen“ verdient aus unserer Perspektive nur geringes Interesse: Zwielichtigkeit ist das Markenzeichen dieses Pontifikats, und wer sie für seine dunklen Absichten nutzen will, nutzt die darin liegenden Möglichkeiten – und wer keine dunklen Absichten hat, läßt sie links liegen. Soweit alles wie gehabt und bis auf Weiteres zu erwarten. Dem amerikanischen Publizisten Ed Condon, promoviertem Kirchenrechtler und viele Jahre in diesem Bereich anwaltlich tätig, sind bei der Lektüre des Dokuments jedoch einige Passage aufgefallen, die weitreichende Bedeutung über das pastoral-populistische Thema der Schwulen-Segnung hinaus haben – oder haben können, wenn sie nicht im nächsten Pontifikat umgehend wieder einkassiert werden.

Ed Condon sieht hier zwei Schwerpunkte. Der eine ist die im Dokument ausführlich vorgetragene und massiv ausgeweitete (Irr)lehre von der unbegrenzten „Weiterentwicklung“ der kirchlichen Lehre. Sie geht so weit, daß nach Ansicht von Fernandez und bergoglio Grundsätze von Lehre und Glauben, die seit den Zeiten der Apostel als unveränderlich galten, nicht nur „modernisiert“, sondern schlichtweg in ihr Gegenteil verkehrt werden können. Condon nennt hier als Beispiele die Zulassung nicht-bereuender Ehebrecher zu den Sakramenten in der berüchtigten Fußnote von Amoris Laetitia und die per Federstrich im Katechismus verfügte Umkehrung der kirchlichen Lehre zur Todesstrafe. Das Vehikel zur Förderung dieser Irrlehre ist die von Fernandez entwickelte Theorie von der Überlegenheit des Lehramtes des gegenwärtigen Papstes gegenüber allen anderen lehramtlichen Aussagen seiner Vorgänger, der Kirchenlehrer und sogar der Apostel selbst.

Der zweite Punkt ist inhaltlich eng mit dieser abenteuerlichen und absolut un-katholischen Häresie verbunden. Es geht – wieder einmal, muß man sagen – um die Stellung der Bischöfe, die unter der seit einigen Monaten voll ihr ganzes Destruktionspotential entfaltenden Doppelspitze Fernandez/Bergoglio immer mehr ins Zentrum der despotischen Ansprüche des Teams Bergoglio gerückt wird. Hier geht es weiter Auch wenn es in der Praxis manchmal abweichend gehandhabt wurde, gelten die Bischöfe der Kirche doch seit jeher nicht als Bedienstete oder Beauftragte des Papstes, sondern als dessen Mitbrüder im Amt der Apostelnachfolge, die über eine Eigene Amtsautorität verfügen. Die folgenden Abschnitte übersetzen wir direkt aus dem Artikel von Ed Condon in The Pillar.

Es beginnt ein langes ZitatKardinal Fernandez' Einführung stellt fest: „Da die römische Kurie primär ein Instrument im Dienst des Nachfolgers Petri ist, muß unsere Arbeit darauf gerichtet sein, zusammen mit einem Verständnis der überzeitlichen Lehre der Kirche die Aufnahme der Lehre des Heiligen Vaters sicherzustellen.“

Diese Aussage, die ihrerseits die apostolischen Konstitution Praedicate Evangelium des Papstes selbst zitiert, scheint die Aufnahme des persönlichen Lehramtes des Papstes auf eine Stufe mit der überzeitlich gültigen Lehre der Kirche zu stellen. Vielleicht stellt sie sogar eine Rangordnung zwischen beiden her, wenn sie verlangt, die überzeitliche Lehre müsse „verstanden“, die aktuelle päpstliche Lehre jedoch „aufgenommen“ werden.

„Der Wert dieses Dokuments“ fährt Fernandez fort, besteht darin, daß es einen spezifischen und innovativen Beitrag zur pastoralen Bedeutung von Segnungen darstellt, und das klassische Verständnis von Segnungen, das eng mit einer liturgischen Sichtweise verbunden ist, ausweitet und bereichert.

„Dieser theologische Gedanke, der auf der pastoralen Vision von Papst Franziskus beruht, bedeutet eine echte Weiterentwicklung dessen, was bisher über Segnungen im Lehramt und den offiziellen Dokumenten der Kirche ausgesagt worden ist“ – so der Kardinal.

Kritiker der Schlussfolgerungen von Fernandez könnten freilich seine Voraussetzung kritisieren. Wenn der Kardinal das „im Dienst des Nachfolgers Petri“ und die Notwendigkeit zur „Aufnahme von dessen Lehre“ betont, übergeht einen vielleicht bedeutsamen Teil der zitierten Passage in „Praedicate Evangelium“.

Der volle Text der apostolischen Konstitution ist nämlich: „Die römische Kurie ist primär ein Instrument im Dienste des Nachfolgers Petri, um ihn in seinem Auftrag als „überzeitliche und sichtbare Quelle und Fundament der Einheit der Bischöfe und der ganzen Gemeinschaft der Gläubigen“ zu unterstützen – was seinerseits wieder die dogmatische Konstitution „Lumen Gentium“ des Vatikanischen Konzils zitiert.

Kritiker von Fernandez könnten dem Präfekten des Glaubens-Dikasteriums vorwerfen, daß er gerade den Teil ausgelassen hat, in dem von der Rolle des Papstes als Instrument und Symbol der Einheit des Weltepiskopats die Rede ist und daß er mit der Zitier- und Schreibweise seiner Darstellung der päpstlichen Lehre die Ekklesiologie des Konzils bewußt außen vor läßt.

Zumindest nach den ersten Reaktionen auf FS sieht es so aus, als ob sowohl unter den Bischöfen als auch „in der ganzen Gemeinschaft der Gläubigen“ ganz und gar keine Einheit hinsichtlich der Auswirkungen und der Reichweite dieses Dokuments vorhanden wäre. Mehrere Europäische Bischöfe haben das Dokument als eine Art „Schritt in der richtigen Richtung“ begrüßt – darunter auch die, die schon seit langem öffentlich für eine grundsätzliche Veränderung der kirchlichen Lehre in Sachen Heirat und Sexualität eintreten. Dagegen hat The Pillar aus Kreisen, die afrikanischen Bischöfen nahestehen, erfahren, daß der Episkopat dort „schockiert und entsetzt“ auf die Vorstellung reagiert, daß demnächst homosexuelle Paare um irgend eine Form der Segnung ihrer Beziehung bitten könnten.

Die vielleicht folgenreichste und ekklesiologisch schwerwiegendste Konsequenz der Vorgaben dieses Dokuments ist möglicherweise jedoch nicht die dadurch ausgelöste Uneinigkeit zwischen den Bischöfen verschiedener Teil der Welt, sondern daß es auch jede Möglichkeit auszuschließen scheint, dem entgegenzuwirken.

Der Text von Fiducia Supplicans enthält die Aussage, daß das Glaubensdikasterium keine weiteren Präzisierungen in dieser Ache herausgeben will. Noch gravierender ist, vielleicht daß diese Erklärung auch die Bischöfe daran zu hindern sucht, selbst Klarheit und Ordnung in die Umsetzung dieses Dokuments in ihren Diözesen zu bringen.

Die Erklärung des Dikasteriums zitiert eine bereits früher veröffentlichte Antwort von Papst Franziskus, wonach es einer Diözese, einer Bischofskonferenz oder irgend einem anderen ständigen kirchlichen Gremium nicht zukommt, Vorgehensweisen oder Rituale für alle möglichen Angelegenheiten zu erlassen. Das kanonische Recht kann und soll nicht alles abdecken, und auch die Bischofskonferenzen sollten das mit ihren Dokumenten und Protokollen nicht versuchen, denn das Leben der Kirche fließt durch viele Kanäle neben den offizielle vorgesehenen.

Weiter führt das Dikasterium aus: „Daher hat Papst Franziskus daran erinnert, daß das, was aus aus einer praktischen Erwägung unter bestimmten Umständen hervorgegangen ist, nicht zu einer allgemeinen Regel erhoben werden kann, weil das zu einer unerträglichen Kasuistik führen würde.“ Das läuft darauf hinaus,daß das Glaubensdikasterium unter Berufung auf päpstliche Autorität bestimmt, daß die Priester berechtigt sind, „praktische Erwägungen“ hinsichtlich der Anwendung von FS vorzunehmen, während ihre zuständigen Bischöfe nicht das Recht, irgendeine Aufsicht oder Regelung durchzuführen.

Früheren Vorgaben von Franziskus für die Arbeit der Kurie wurde der Vorwurf gemacht, daß sie die Autorität und die Handlungsfähigkeit der Ortsbischöfe unterminierten und damit gegen die Ekklesiologie des II. Vatikanischen Konzils verstießen. Nach FS spielen nun die Bischöfe überhaupt keine Rolle mehr.

Die Argumentation des Glaubenspräfekten in seinem Vorwort scheint darauf hinaus zu laufen, daß die Arbeit der Kurie für die Aufnahme der päpstlichen Lehre nun die Vollmacht einschließt, den Bischöfen die Autorität über die pastorale Tätigkeit ihres Klerus abzusprechen, wo es darum geht, eine „tatsächliche Weiterentwicklung“ des Lehramtes durchzusetzen.

Wenn sich das wirklich so verhält, werden viele Diözesanbischöfe in dem Dokument weniger eine Erklärung über die Theologie des Segens sehen, sondern eine Aussage über die Natur ihres Amtes und über die Ekklesiologie des II. Vatikanums, nach der „man sie nicht als Vertreter des Papstes in Rom betrachten sollte, da sie eine Autorität aus eigenem Recht ausüben.“

Und noch mehr Bischöfe werden dementsprechend die Erklärung vom vergangenen Montag als ein Rezept für ein pastorales Chaos betrachten, dem entgegenzuwirken sie keine Mittel und das zu verhindern sie keine Autorität haben.“

Soweit Ed Condon – und dem haben wir nichts hinzuzufügen.

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