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Maria - demütig und hoch erhaben

Bild: Francisco de Zubaran, Immaculada, Prado von Madrid, Gemeinfrei Wikimedia.Nach dem traditionellen wie nach dem reformierten Kalendarium der römischen Kirche ist der 8. Dezember das Fest der Unbefleckten Empfängnis der allerseligsten Jungfrau Maria – Dupl. I. Class. Nach modernem Sprachgebrauch leichter verständlich, aber dogmatisch ebenfalls korrekt: das „Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“.

Beide Formulierungen besagen das Gleiche und sind auch – anderslautenden Gerüchten oder den betrüblichen Ergebnissen neuzeitlichen Religionsunterrichtes und Theologiestudiums (s. hierzu auch unseren Artikel zum Fest von 2017) zum Trotz – in der Kirche des Westens ebenso wie der des Ostens nie anders verstanden worden: Maria, die spät und wider alle Hoffnung und Erwartung natürlich gezeugte und geborene Tochter Joakims und Annas, war vom ersten Augenblick ihrer Existenz an frei von der Befleckung durch die Erbsünde, mit der die unglückliche Stammutter des Menschengeschlechts ihrer Nachkommenschaft den freien Zugang zum Schöpfergott verschlossen hatte. Und so gefiel es dem Allmächtigen, der Frau, die zur Stammutter des neuen Menschengeschlechts werden sollte, diese unselige Erbschaft zu ersparen. Nicht, um sie zur Gottesgebärerin vorherzubestimmen, sondern um sie wieder in den Stand des Menschen einzusetzen, den er erschaffen hatte, und der erneut in freiem Willen sich entscheiden konnte, für oder gegen den Plan Gottes zu leben.

Diese Aspekte sind in den Messtexten zum Tage sowie in zahllosen Traktaten und Predigten ausgebreitet und bedürfen hier keiner weiteren Erläuterung.

Weitaus seltener kommt die Rede auf einen anderen Gesichtspunkt, den Franz Michel Willam in seinem (leider nur in den ersten vier Auflagen) ganz hervorragenden Werk „Das Leben Marias der Mutter Jesu“ unter der Kapitelüberschrift „Die Einsamkeit der Gnadenvollen“ herausgearbeitet hat. Dort schreibt er:

Maria lebte in einer Einsamkeit, für die die Einsamkeit eines Kindes, das unter lauter Erwachsenen aufwächst, ein zwar schwaches, aber immerhin doch brauchbares Gleichnis darstellt. Maria, die Begnadete, lebte nämlich, um beim Bilde zu bleiben, als höchstes und vollkommenstes Kind Gottes unter lauter Menschen, die der Gotteskindschaft verlustig gegangen und mehr oder weniger der Sünde verfallen und den bösen Neigungen asgeliefert waren.

Hier geht es weiter (...) Alle diese Menschen lebten in den Augen Marias in einer Welt, zu der sie selber keinerlei Verhältnis besaß. ... Sie konnte, menschlich gesprochen, ja überhaupt nicht begreifen, wieso nur die Menschen sündigen, und die Sünde, wenn es nicht gerade ungewöhnliche Gräueltaten waren, als etwas zu ihnen Gehöriges und gleichsam 'Natürliches' empfanden.

Die Schweigsamkeit, die an Maria später immer wieder wahrgenommen und vom Evangelisten ausdrücklich hervorgehoben wird, war also in doppelter Hinsicht eine natürliche Folge der Stellung Marias unter den Menschen, die sie umgaben. Ihr besonderes Verhältnis zu Gott zwang sie zum Schweigen über ihre religiösen Verhältnisse. Ihr besonderes Verhä#ltnis zur Sünde versiegelte ihr den Mund noch ein zweites Mal. Niemand musste soviel wie sie schweigen und verschweigen. Niemand konnte aber auch so gut wie sie die Geheimnisse 'im Herzen bewahren'.

Eine Frage für sich ist wieder, wie die anderen Menschen dieses Besonderssein Marias empfunden und wie sie sich zu ihr verhalten haben. Stellt man sich die Enge einer orientalischen Stadt und die Lebhaftigkeit ihrer Bewohner vor, so beschleicht einen freilich ein wehmütiges Grauen. Der größte Teil der Nachbarinnen - für Maria kamen im Verkehr nur Frauen in Frage - hat wohl das Besonderssein Marias gefühlt, aber nichts von jener Liebe und Herzensweite besessen, die ihr in so reichem Maße eigen war. Leute aus dem Volk greifen aber in dieser Lage immer zu demselben Auswege: Ist jemand in ihrem Lebensbereiche nicht so wie sie, ist er anders, besser als sie, so wird er mit dem Hinweis gerichtet und vernichtet, daß er stolz und hochmütig sei, sich alles mögliche einbilde und sich für zu gut halte, mit den gewöhnlichen Leuten zu reden.

Maria, die Demütigste von allen, ist wohl mehr als einmal in ihrem Leben als die Hochmütigste von allen, als eine 'Schande für das Haus David' bezeichnet und auch dementsprechend behandelt worden.“

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Gekürzt aus F.M. Willam, Das Leben Marias der Mutter Jesu, Freiburg 1936, S. 12 - 18. Ab der 5. Auflage von 1952 ist das Buch stark von der Rezeption tatsächlicher und vermeintlicher Erkenntnisse der modernen Theologie geprägt. Das macht es nicht wertlos, nimmt ihm aber doch viel von seinem in der Tradition verwurzelten Gedankenreichtum. Das Kapitel, aus dem hier zitiert wird, ist dort nicht mehr vorhanden, sein Inhalt scheint auch an anderer Stelle nicht mehr auffindbar zu sein.

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Das Beiboot Petri bringt heute Auszüge aus einem höchst lesenswerten Artikel des hl. Maximilian Kolbe von 1925 über die Disputatio an der Sorbonne im Jahr 1305, in der Duns Scotus die theologischen Grundlagen für die Dogmatisierung der unbefleckten Empfängnis im Jahr 1854 ausbreitete. So schreitet die Kirche durch die Zeit, und die Zeitgeister verfallen der Vergessenheit.

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